Sonntag, 5. Oktober 2014

Woran erkennt man einen guten Züchter? - Oder auch nicht...

Ein guter Züchter:
  • züchtet max. zwei Rassen
  • gibt eine Gesundheits-Garantie
  • testet seine Hunde auf alle Krankheiten und züchtet nur mit absolut gesunden Hunden
  • gibt seine Welpen nicht an Jedermann ab
  • nimmt jederzeit einen Hund, den er verkauft hat wieder zurück, egal aus welchem Grund
  • gibt pet-quality (nicht zur Zucht geeignete) Welpen nur mit Kastrationsvereinbarung oder bereits kastriert ab
  • hält die Hunde im Haus / hat keine Zwinger
  • lässt jederzeit Besuch zu den Welpen und der Hündin
  • und so weiter
  • und so fort
Check-Listen wie diese findet man zu Hauf und gerade eben habe ich wieder eine solche auf Facebook gefunden mit dem Aufruf, dass sich Thai Ridgeback Züchter, die sich an diese und weitere Richtlinien halten, melden sollen um eine Liste „guter, verantwortungsbewusster Züchter“ zu erstellen.
Nun ich bin gespannt, wie viele sich melden werden ;), weil ich eigentlich keinen Züchter kenne, der dieser sehr ausführlichen Auflistung entspricht – mich selbst eingeschlossen.


Ich halte diese Check-Listen sowieso nicht für sinnvoll, da sie zu allgemein gehalten sind und ein Idealbild zeichnen, dem man eigentlich gar nicht entsprechen kann. Man müsste schon lügen oder zumindest ein bisschen was beschönigen um sich der öffentlichen Meinung als perfekter Züchter präsentieren zu können (weil wer ist schon perfekt?).

Diese Guter-Züchter-Merkmale sind – meiner Meinung nach - zu pauschal und berücksichtigen die jeweilige Gesamtsituation nicht.
Greifen wir als Beispiel einmal ein paar Punkte heraus:

Ein guter Züchter züchtet maximal zwei Rassen?

Früher hieß es überhaupt nur eine Rasse, plötzlich sind zwei ok, aber drei nicht mehr? Natürlich erkennt man einen Hunde-Vermehrer daran, dass er sämtliche Moderassen im Angebot hat. Aber ob ein Liebhaberzüchter nun 1, 2, 3 oder 4 Rassen hält und züchtet, sagt alleine noch nichts aus. Viel wichtiger sind Fragen wie: Wie gut kennt er sich mit den jeweiligen Rassen aus? Wie viele Hunde hat er? Wie oft wirft eine Hündin?... Was wenn jemand ein großer Fan von mehreren Rassen ist und 3 oder 4 Hündinnen verschiedener Rassen hält, über die Jahre mit jeder 1-2 Würfe macht und sich extrem gut mit allen Rassen auskennt? Ist das ein schlechterer Züchter als jemand, der 10 Hündinnen einer Rasse hält von der er trotzdem keine Ahnung hat und einen Wurf nach dem anderen macht? Sicher nicht!

Ein guter Züchter gibt eine Gesundheitsgarantie?

Ist er Hellseher? Ein Hund ist ein Lebewesen und kein einwandfreies Produkt. Lebewesen können auch krank werden. Krank zu werden heißt nicht gleich aus schlechter Zucht zu stammen, sondern hat auch wesentlich etwas mit der späteren Umwelt zu tun!
Ich persönlich garantiere in meinen Verträgen, dass mir keine Mängel oder Krankheiten bekannt sind und dass ein Tierarzt ebenfalls bestätigt hat, dass der Hund gesund ist bzw. weise ich deutlich darauf hin, falls mir doch ein Mangel bekannt ist. Sollte etwas mit dem Hund sein, kann man natürlich über alles reden, aber ich kann um Gottes willen nicht dafür haften, wenn der Welpe ein halbes Jahr später Durchfall bekommt, weil er irgendeinen Mist gefressen hat.

Bleiben wir bei den Krankheiten: 

Ein guter Züchter testet auf alle Krankheiten und züchtet nur mit 100% gesunden Hunden?

Auf alle Krankheiten!? Es gibt ca. 400 bekannte Erbkrankheiten bei Hunden. Niemand kann es sich leisten auf ALLE Erbkrankheiten zu testen und selbst wenn, grenzt es in meinen Augen an Tierquälerei seinem Hund 399 unnötige Untersuchungen zuzumuten. Ich weiß auch nicht, ob man überhaupt auf alle diese Krankheiten testen kann. Ein guter Züchter hält sich zu aller erst einmal an die Zuchtordnung und testet auf das, was vom Club vorgeschrieben wird. Natürlich kann man auch mehr machen, wenn man es für wichtig hält. Eine DS-Untersuchung beim Thai Ridgeback ist in Österreich z.B. nicht Pflicht, aber versteht sich – meiner Meinung nach – von selbst. Je nach Risiko in der Rasse oder der speziellen Linie können zusätzliche Tests notwendig sein.
Im Übrigen können viele Krankheiten erst festgestellt werden, wenn der Hund älter ist und vielleicht schon eine Nachzucht hat. Ein super gesunder 2jähriger Hund ist nicht zwangsläufig mit 8 Jahren immer noch gesund! Seinen jungen Hund auf 400 Krankheiten zu testen machte einen also nicht automatisch zum guten Züchter.
Und jemand der mit einem nicht 100% gesunden Hund züchtet ist auch nicht automatisch ein schlechter Züchter! Wenn es einen Gentest für ein autosomal-rezessiv vererbbare Krankheit gibt, kann man auch mit erkrankten Hunden züchten, sofern man diese mit genetisch freien Partnern verpaart. In diesem Fall wird keiner der Welpen erkranken, vererbt die Krankheit aber weiter und muss seinerseits wieder mit einem freien Partner verpaart werden. Ob das Sinn macht oder nicht hängt von viele Faktoren, wie die Größe des Genpools, die Häufigkeit der Krankheit, den anderen Qualitäten des jeweiligen Hundes, ob die Welpen in die Zucht kommen uvm. ab, kann man also pauschal überhaupt nicht sagen!
Es gibt auch unzählige Krankheiten, die nicht erblich sind und einen Zuchteinsatz nicht automatisch ausschließen. Wichtig ist aber, dass die Hunde fit genug sind um Deckakt, Trächtigkeit, Geburt und Welpenaufzucht unbeschadet überstehen zu können. Eine schwache Hündin sollte natürlich nicht belegt werden und einem Rüden, der nur mehr am Zahnfleisch daher kriecht, sollte man vielleicht auch nicht unbedingt eine läufige Hündin hin stellen (nicht nur wegen dem Stress, auch die Spermienqualität könnte negativ beeinflusst sein).

Ein guter Züchter gibt nicht jedem einen Hund?

Das stimmt! Einen schlechten Züchter erkennt man daran, dass er jedem ohne zu fragen, einen Hund auf's Aug' drückt. Aber woher soll der gute Züchter immer genau wissen, wem man einen Welpen geben kann und wem nicht. Ich bin wirklich schon extrem übervorsichtig, sodass es mir fast schon peinlich ist, welche intimen Fragen ich den Leuten stelle... aber man kann den Leuten nur vor den Kopf schauen und im Zweifelsfall muss das Gefühl entscheiden. Da kann man eben auch mal daneben liegen.

Ein guter Züchter nimmt jederzeit einen Hund zurück egal aus welchem Grund?

Nein! Fast kein Züchter den ich kenne, nimmt jederzeit einen Hund zurück, den er verkauft hat und ich habe damit auch aufgehört. Nachdem ich drei Hunde zurück genommen habe – einmal wegen Angstaggression (Amasindra), einmal wegen Trennung (Thao) und einmal weil er nicht alleine sein konnte (Haku), habe ich bemerkt, ich kann sie dann nicht noch einmal abgeben. Einer, der wieder zurück gekommen ist hat meistens ein Problem und ist schwerer vermittelbar und sobald man anfängt an dem Problem zu arbeiten baut man eine Bindung auf. Man weiß bereits was schief gehen kann, man kennt den Hund immer besser, er ist kein unbeschriebenes, kleines, süßes Blatt mehr, wie der Welpe den man hat gehen lassen... da wächst die Übervorsicht noch weiter an bis es niemand mehr gibt, dem man diesen Hund anvertrauen möchte. Aber wenn man züchten möchte, dann kann man nicht das ganze Haus voller mehr oder weniger Problemhunde haben!
Die meisten Erstzüchter nehmen verantwortungsbewusst ihre Welpen wieder zurück, wenn etwas schief läuft. Aber wenn man einmal damit anfängt wird es zu einer Patentlösung für unzufriedene Welpenkäufer (und solche wird es auch immer geben). Ich bin der Meinung, dass Hunde nun mal hin und wieder Probleme machen, egal wie perfekt sie gezüchtet wurden und wie gewissenhaft die Käufer ausgewählt wurden. Die Käufer adoptieren den Welpen, es ist dann ihr Hund und seine Probleme sind ihre Probleme. Da kann und soll man gerne hilfreich mit Rat und Tat zur Seite stehen und im schlimmsten Fall auch bei einer Vermittlung helfen, aber man kann nicht alle Probleme wieder auf seine Schultern nehmen.
Natürlich würde ich im Notfall einen Hund zurücknehmen, wenn es nicht anders geht und ich die Möglichkeit dazu habe. Aber die Betonung liegt auf WENN ES NICHT ANDERS GEHT. Also nicht jederzeit und natürlich und bringt mir nur alle eure Hunde sobald das geringste Problem auftaucht.


Ganz besonders kontrovers finde ich den Punkt, dass nicht zur Zucht geeignete Welpen kastriert werden müssen oder noch viel, viel schlimmer bereits frühkastriert abgegeben werden. Ich bin absolut gegen unüberlegte Kastrationen und gegen Frühkastrationen sowieso. Da mag jetzt jeder seine eigene Meinung haben und es bedarf eines eigenen Artikels das Thema zu erörtern, aber niemals würde ich bei einem Züchter kaufen, der von mir verlangt derart in die Entwicklung meines Hundes einzugreifen! Und als Züchter steht in meinen Verträgen aus diesem Grund sogar genau das Gegenteil – nämlich dass der Hund eben NICHT ohne vernünftigen Grund kastriert werden darf, egal ob für die Zucht geeignet oder nicht, hier geht es nicht um Empfängnisverhütung sondern um das Wohlbefinden des Hundes. Die Entscheidung für eine Kastration muss immer individuell getroffen werden und das erst wenn die Verhaltensentwicklung abgeschlossen ist – also NACH der Pubertät!

Das sind mal nur ein paar Denkanstöße. Ich habe z.B. auch mehrere Hunde aus Zwinger-Zuchten gekauft und bin sehr zufrieden mit ihnen (und ihren Züchtern). Ich kenne auch Hündinnen, die aggressiv ihre Welpen verteidigen, was nichts darüber aussagt, ob sie auch sonst aggressiv sind und/oder ob sie aggressives Verhalten vererben und so weiter und so fort.

Nicht nur aus Züchter-Sicht, vor allem auch aus Sicht einer Welpenkäuferin bin ich gegen Pauschalisierungen über gute und schlechte Züchter. Man kann es nicht in Check-Listen zusammen fassen, was den Einen vom Anderen unterscheidet.

Viel wichtiger als die oben genannten Punkte ist das Bauchgefühl. Hundekauf ist Vertrauenssache und ich glaube außerdem sehr fest daran, dass sich Hund und Mensch schon so finden wie es passt.
Ein guter Züchter ist ein Mensch mit dem man gerne in Kontakt ist und der einen liebevollen, vertrauten Umgang mit seinen Hunden hat, der seine Sache nach bestem Wissen und Gewissen macht, der Entscheidungen (z.B. Deckrüdenwahl, gesundheitliche Tests, Impfschema, Fütterung...) schlüssig begründen kann und dazu steht warum er dieses oder jenes so oder so macht.
Ein guter Züchter nimmt die Sache sehr ernst, züchtet nicht wegen dem Geld, sondern aus Liebe zur Rasse und der Freude an der Welpenaufzucht (sollte er trotzdem dabei tatsächlich was verdienen, ist er aber auch nicht gleich ein böser, sondern vor allem ein beneidenswerter Züchter ;). 
Aber vor allem ist er ehrlich und weist auch auf mögliche Probleme hin und darauf was in seiner Zucht vielleicht einmal nicht ganz so perfekt gelaufen ist.
Ein Züchter, der von sich behauptet alles perfekt zu machen ist mit großer Wahrscheinlichkeit eben nicht ehrlich und hat einfach eine „Guter-Züchter-Liste“ zur Hand genommen um Ihnen erzählen zu können, was sie hören wollen.


Übrigens: Die Guter-Thai-Ridgeback-Züchter-Check-Liste wurde gestern Nachmittag eingestellt und in den letzten 33 Stunden hat sich kein Züchter gemeldet, der deren Kriterien entspricht.

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