Sonntag, 19. April 2015

Schwierige Rasse?

Ein beliebtes Streitthema in Internet-Foren und sozialen Netzwerken, ist die Frage, ob eine bestimmte Rasse nun besonders "schwierig" ist oder doch NUR ein Hund und somit alles reine Erziehungssache. 

Meist bleibt es dann auch nicht dabei, sondern es vermischt sich mit Diskussionen über diverse Erziehungsmethoden und Haltungsformen und was weiß ich noch alles und konsequentes Aneinandervorbeireden und persönliche Angriffe enden dann meist in irgendwelchen Dramen, sodass die Frage "wie schwierig ist diese Rasse nun wirklich" niemals beantwortet werden kann.

Also probier ich jetzt hier mal, der Antwort näher zu kommen ;) 


Lesern, die mich aus der Thai Ridgeback Szene kennen, möchte ich an dieser Stelle sagen: Nein! Ich spreche nicht ausschließlich über den Thai als eine schir unüberwindbare Herausforderung, der nur wenige Auserwählte mit einer Gott gegebenen Gabe gewachsen sind *ggg*
Viele denken ähnliches über den Akita oder den Xolo und auch den Lundehunden wird so manches nachgesagt.
Auch in meinem näheren Umfeld und bei der Arbeit mit Kunden, treffe ich eigentlich ständig auf "schwierige Rassen": Terrier, sogenannte "Kampfhunde", Windhunde, Herdenschutzhunde, Hütehunde, Jagdhunde und Nordische... eigentlich ist alles besonders schwierig, was nicht gerade ein Schoßhündchen ist.

Ist das wirklich so? Wie "schwierig" kann eine Rasse sein? Was ist in den Genen vorprogrammiert und was kann man mit Haltung und Erziehung beeinflussen? Laufen hier überall nur Monster rum und ist jeder, der so einen Hund will, ein verantwortungsloser Egoist, der damit nur dem Hund und seinem Umfeld schadet?

Schwer zu sagen, finde ich.

Fakt ist: es gibt rassetypische Unterschiede! Alle Hunderassen wurden für einen bestimmten Zweck gezüchtet und es ist schlichtweg falsch zu behaupten alle Hunde funktionien exakt gleich und unterscheiden sich nur im Aussehen.

Fakt ist aber auch: die Lerntheorie funktioniert bei jedem Tier, das höher stehend ist als eine Qualle. Es ist also auch falsch zu sagen, dieser Hund könne irgendwas auf Grund seiner Rassezugehörigkeit nicht lernen.

Was das Lernen betrifft liegen die feinen Unterschiede nicht darin, was kann dieser Hund lernen, sondern WIE bringe ich es ihm bei und wieviel Aufwand ist das. Und dieser Unterschied ist zum Teil rassetypisch, zum Teil aber auch sehr individuell, sodass sich auch Hunde einer Rasse - sogar Geschwister, die im gleichen Haushalt leben - erheblich voneinander Unterscheiden können.

Man darf sich nicht zu sehr blenden lassen von dem, was über eine bestimmte Rasse gesagt wird, denn es könnte den Umgang mit dem Hund beeinflussen. 
Es gab eine Studie, in der Lehrer eine Klasse unterrichten sollten. Die Kinder waren immer durchschnittlich begabte Kinder, aber den Lehrern wurde in der einen Klasse erzählt, es handle sich um Hochbegabte und in der anderen, dass es lernschwache Kinder seien.
Tatsächlich lernten die angeblich Hochbegabten wesentlich mehr, denn die Lehrer gaben sich hier einfach viel mehr Mühe, als bei den vermeintlich Lernschwachen.
Das zeigt deutlich, dass eine vorgefasste Meinung die Handlungen beeinflusst und damit auch das Endergebniss.
Gehe ich jetzt einfach davon aus, dass ein Hund aufgrund seiner Rassezugehörigkeit irgendetwas nicht kann, dann gehe ich an die Sache schon mit einer negativen Einstellung heran und beeinflusse so mit Sicherheit auch die Erfolgschancen.

Dennoch hat jede Rasse ihre speziellen Ansprüche, was das Wesen betrifft, aber auch in Punkten wie Gesundheit, Ernährung, Pflege...
VOR der Anschaffung sollte man lieber jeden Aspekt der Wunschrasse genau unter die Lupe nehmen und sich überlegen, ob man auch mit dem Worst Case leben kann.
Ich glaube, jeder kann jede Rasse haben, wenn er es wirklich, wirklich will und bereit ist, dafür etwas zu tun und gegebenen Falls Kompromisse einzugehen.
Andererseits, wenn man vorher schon weiß, dass man gewisse Kompromisse sicher nicht eingehen möchte und bestimmte Eigenschaften für ein absolutes No-Go hält. Dann kann man doch bitte Abstand von Rassen nehmen, die genau diese Eigenschaften mehrheitlich an den Tag legen!
Einer der größten Fehler, den Leute bei der Anschaffung eines Rassehundes machen ist es, zu glauben, sie hätten Glück und ihrer wäre dann sicher nicht so oder sie wären so unglaublich gute Hundehalter und -trainer, dass sie das Wesen eines Hundes von Grund auf ändern können.
Kann natürlich beides sein... ist aber sehr unwahrscheinlich!
Also sollte sich jeder über seine Wunschrasse eingehend informieren und nicht nur dem Züchter glauben schenken, der natürlich ein gewisses Interesse daran hat seine Welpen zu verkaufen.

Das ist ja gerade das Tolle an der Rassevielfalt, da ist für jeden das Richtige dabei. Man hat die Wahl und muss sich nicht ein Tier anschaffen, das so gar nicht zu den eigenen Lebensumständen passt um es dann mit Müh und Not passend machen zu wollen. Auch von der Optik her gibt es oft Rassen, die sich ähnlich schauen und sich dennoch in ihren Bedürfnissen unterscheiden. So empfehle ich z.B. immer gerne einen behaarten Xolo oder Peruaner, wenn man den Thai hübsch findet, aber keinen Jäger möchte.

Was ganz anderes ist es dann, wenn der Hund da ist! Dann hat man in erster Linie einen Hund. Ein einzigartiges Individuum, dass viel durch seine Gene, aber besonders auch durch sein Umfeld geprägt ist und mit dem man seinen speziellen Bedürfnissen entsprechend umgehen muss.
Vielleicht entspricht er genau dem Rassebild, vielleicht ist er auch die Ausnahme und völlig anders. Ist egal, weil er nun da ist und weil Rassezugehörigkeit keine Ausrede dafür sein darf, den Hund nicht entsprechend zu erziehen und zu halten.

Klar zieht ein Husky von Natur aus, aber das ist kein Grund ihn am Halsband zerren zu lassen und so seiner Gesundheit zu schaden.
Es wäre aber ein Grund sich überhaupt keinen Husky anzuschaffen, wenn man absolut keine Lust hat viel Zeit in Leinenführigkeitstraining zu investieren.

Ein Akita wird nie von sich aus so apportieren wie ein Retriever. Kann er es trotzdem lernen? Natürlich! Dauert nur dementsprechend länger.
Wenn ich einen Hund für's Apportieren will, werde ich mir dann eher keinen Akita anschaffen, aber wenn mir Apportieren entweder total egal ist oder aber ich es spannend finde einem Hund etwas beizubringen für das er nicht speziell gezüchtet wurde, egal wie aufwendig das ist... dann spricht in dem Punkt nichts gegen einen Akita :)

Schwierigkeit liegt im Auge des Betrachters. Auch jeder Mensch ist ein Individuum und hat spezielle Bedürfnisse und Ansprüche an seinen Hund. Die Frage, ob eine Rasse schwierig ist oder nicht, kann also gar nicht pauschal beantwortet werden. Und das ist auch der Grund warum Diskussionen darüber nie zu einem Ende kommen können.

Ich halte es dennoch für äußerst wichtig ehrlich darüber zu informieren mit welchen Eigenschaften bei einer Rasse höchstwahrscheinlich zu rechnen ist. Denn nur weil meine Hunde für mich absolut nicht schwierig sind, heißt das nicht, dass sie in einem anderen Umfeld, bei anderen Menschen nicht eine Katastrophe sein könnten.
In der Beratung von Interessenten ist es sehr wichtig die möglichen schwierigen Aspekte einer Rasse hervorzuheben. Ohne diese Informationen, können sie ja gar keine überlegte Entscheidung treffen.
Das heißt nicht, dass man Rassen schlecht machen soll oder den Eindruck erwecken, dass nur bestimmte Auserwählte einen solchen Hund haben dürfen. Das ist erstens nicht richtig, denn keine Rasse ist schlechter als die anderen und - wie gesagt - wenn man wirklich, wirklich will kann man es mit jedem Hund schaffen. Und zweitens löst das bei Interessenten aus der "Nur-Ein-Hund-Fraktion" eher eine Trotzreaktion aus, als sie zum Nachdenken zu bewegen ("Denen werde ich es zeigen! Ich kauf mir einen XYZ und erzieh ihn zum Superhund").

Es geht einfach um ehrliche Beratung und vor allem nix beschönigen. Wenn man mit dem Schlimmsten rechnet, dann kann man nur positiv überrascht werden und hat mit Sicherheit mehr Freude an seinem Hund, als wenn man einfach darauf hofft, der eigene Hunde würde schon nicht so "schwierig" werden, wie alle sagen. 

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