Freitag, 9. Mai 2014

Training mit hyperaktiven Hunden

Der Trainingsplan für hyperaktive Hunde

Leider muss ich meine Leser enttäuschen: DEN Trainingsplan der alle hyperaktiven Hunde heilt (und das noch möglichst schnell und kostengünstig) gibt es leider nicht!
Mehr noch als bei anderen Verhaltensproblemen muss das Training solcher Hunde sehr individuell gestaltet werden, denn was den einen beruhigt, regt den anderen erst recht auf und umgekehrt. Außerdem haben wir ja schon festgestellt, dass hyperaktiv nicht gleich hyperaktiv ist. Ein Hund kann ganz unterschiedliche Symptome zeigen, vielleicht nur eines oder die gesamte Palette oder irgendetwas dazwischen und auch in der Ausprägung gibt es große Unterschiede. Und dann kommt natürlich noch die menschliche Seite dazu: Welche Verhaltensweisen stören den Besitzer besonders, welche Anforderungen hat er an den Hund usw. usf.



Der Trainingsplan für einen hyperaktiven Hund wird aus einer großen Kiste an möglichen Werkzeugen individuell zusammen gestellt.
Mali's Trainingstagebuch darf daher auch auf keinen Fall als allgemein gültige Trainingsanleitung verstanden werden, sondern stellt lediglich ein Beispiel von unendlichen Möglichkeiten dar.
Wer selbst einen hyperaktiven Hund hat, kann sich daraus natürlich Anregungen holen, sollte sich aber auf jeden Fall noch weiter ausgiebig informieren oder professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Grob zusammen gefasst enthält jedoch jeder Trainingsplan die folgenden Maßnahmen:

Tierärztliche Abklärung

Am Anfang jeder Verhaltenstherapie sollte eine gründliche tierärztliche Abklärung stehen. Hyperaktives Verhalten kann auch durch körperliche Erkrankungen ausgelöst werden. Besonders zu denken ist hier an Schilddrüsen-Erkrankungen oder andere hormonelle oder neurologische Störungen. Auch jede andere Krankheit, die mit Schmerzen verbunden ist, kann zu abnormen Verhaltensweisen führen.

Ernährung

Ernährung und Verhalten stehen in direktem Zusammenhang. Schlechtes Futter führt nicht nur dazu, dass es dem Hund möglicherweise schwer im Magen liegt, sondern kann zu gravierenden gesundheitlichen Schäden und auch Veränderungen in der Hirnchemie bewirken.
Umgekehrt hat man aber die Möglichkeit durch optimales Futter und gegebenenfalls Futterzusätze, den Trainingserfolg zu begünstigen.
Ernährung ist ein langwieriges Thema auf das wir später sicher noch häufig zu sprechen kommen.

Management

Im Vordergrund sollte die Frage stehen, wie kann ich das Leben mit meinem Hund gestalten ohne, dass wir ständig in schwierige Situationen kommen. Das heißt vor allem sämtliche Auslöser für hyperaktives Verhalten so gut es geht meiden, außer natürlich in gezielten Trainingssituationen. Wenn es leicht möglich ist den Auslöser für immer zu vermeiden, dann warum nicht? Dann muss das nicht unbedingt trainiert werden, nur weil ein Hund das angeblich aushalten soll. Tickt der Hund z.B. bei Feuerwerk aus, kann man auch überlegen, ob man ihm nicht lieber 1x im Jahr Medikamente gibt, als mühevoll daran zu arbeiten.
Natürlich können nicht alle Auslöser gemieden werden, in dem Fall muss man sich überlegen, wie man die Situation anders gestalten kann. 
Bereits hier gilt: was dem einen hilft, macht den anderen erst recht verrückt, z.B. kann eine Transportbox helfen den Hund zu beruhigen und gleichzeitig ihn sicher unterzubringen (z.B. wenn Besuch kommt). Es kann aber auch sein, dass er sich erst recht aufregt, wenn seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist.
Management-Maßnahmen müssen natürlich keine Dauerlösung sein. Das heißt aber nicht, dass sie nicht extrem wichtig sind. Sie stellen eine schnelle und einfache (allerdings manchmal mit Kosten verbundene) Möglichkeit dar, sich und dem Hund das Leben zu erleichtern und sind häufig notwendig um mit dem Training überhaupt richtig beginnen zu können!
Das ist mir deshalb so wichtig zu betonen, weil ich kaum einen Satz öfter gehört habe als "Aber das ist ja keine Dauerlösung". Das ist dann leider meist nicht nur eine Feststellung, sondern die Ausrede dafür, dass Management-Maßnahmen gar nicht erst umgesetzt werden, was wiederum die Erfolgsaussichten stark minimiert, die Motivation senkt, der Mensch-Hund-Beziehung schadet und letztendlich dazu führen kann, dass das Training abgebrochen und der Hund abgegeben wird.
Also: Es lebe das Management! ;)

Stressreduktion

Stress ist ein großes Problem, ganz besonders natürlich bei hyperaktiven Hunden, die naturgemäß sehr häufig gestresst sind.
Stress erhöht die Flucht- oder Angriffsbereitschaft, setzt das Lernvermögen stark herab und kann längerfristig zu massiven psychischen und physischen Leiden bis hin zum Tod führen.
Sowohl Hund als auch Besitzer sollten also so wenig Stress wie möglich haben, was natürlich nicht immer einfach ist. Es gibt jedoch eine Reihe von Maßnahmen um Stress zu reduzieren und Entspannung zu fördern.
Zu beachten ist dabei auch, dass die Stresshormone im Körper nur sehr langsam abgebaut werden. Jeden Tag ein bisschen Stress ist auf Dauer schädlicher, als einmal viel Stress und dann genügend Erholung.
Stress ist auch eines meiner Lieblingsthemen, also auch dazu kommen später sicher noch ausführlichere Artikel.

Training von hilfreichen Verhaltensweisen

Es gibt unendlich viele Verhaltensweisen die ein Hund lernen kann auf Kommando auszuführen. Wenn sie den Hund davon abhalten unerwünschtes Verhalten zu zeigen, dazu dienen können ihn aus einer schwierigen Situation zu nehmen oder einfach nur die Mensch-Hund-Beziehung fördern, dann sind sie auch für hyperaktive Hunde sinnvoll. Das müssen nicht unbedingt Sitz-Platz-Fuss-Nein-Aus sein, hier gibt es teilweise viel kreativere und nützlichere Alternativen, von denen ich hier nach und nach welche vorstellen werde.

Gegenkonditionierung von Auslöserreizen

Reize, die hyperaktives Verhalten auslösen, können umgedeutet werden in Reize, die der Hund mit etwas angenehmen verbindet oder die sogar gleich ein erwünschtes Verhalten auslösen. Diese "Umdeutung" wird in der Verhaltenstherapie "Gegenkonditionierung" genannt.
Die größten Erfolge verbucht man, wenn man diese Technik mit der sogenannten systematischen Desensibilisierung verbindet. Den Hund also Schritt für Schritt an den Reiz heranführt, sodass er gerade noch schwach genug ist um keine Reaktion auszulösen.

Clickertraining (Markertraining)

Ich liebe Clickertraining! Meiner Meinung nach ist es die beste Möglichkeit Tiere zu trainieren, da es das Timing bei der Belohnung extrem erleichtert und gerade bei hyperaktiven, sehr schnellen Hunden überhaupt erst möglich macht. Mit dem Clicker oder einem anderen Markersignal (ich bevorzuge den Clicker, weil er präziser ist) wird das erwünschte Verhalten markiert und dann belohnt. Diese eindeutige Kommunikation versteht der Hund schnell und arbeitet gerne mit. Mit dem Clicker kann man auch auf Entfernung arbeiten und Verhalten formen in das man den Hund nie einfach locken oder gar zwingen könnte (wie z.B. eine entspannte Körperhaltung, geschlossene Augen usw.).
Der Clicker ist also ein Must-have beim Training mit hyperaktiven Hunden.

Unterstützende Maßnahmen

Als "unterstützende Maßnahmen" bezeichne ich solche, die zwar kein Training in dem Sinn darstellen, sich aber positiv auf den Erfolg auswirken können. Auch hier gibt es Möglichkeiten wie Sand am Meer: angefangen von Körperarbeit über naturheilkundlichen und energetische Verfahren bis hin zu Psychopharmaka (natürlich nur nach Verordnung durch einem auf diesem Gebiet geschulten Tierarzt!).

Ungeeignete Maßnahmen

  • Positive Strafe (=das Hinzufügen von etwas Unangenehmen) ist absolut ungeeignet! Eigentlich sollte sie sowieso längst aus dem Tiertraining verbannt sein, aber das wäre schon wieder einen eigenen Artikel wert. Im Fall hyperaktiver Hunde braucht man darüber aber überhaupt nicht zu diskutieren, denn in den meisten Fällen erweisen sie sich ohnehin als "bestrafungsresistent" oder aber der Stress durch die Bestrafung aktiviert den Hund erst recht. 
  • Körperliche Auslastung und vermehrte Beschäftigung: Es ist ein fataler Irrtum zu glauben ein hyperaktiver Hund ist einfach nur nicht ausgelastet und ihm deshalb immer mehr Bewegung und Beschäftigung zu bieten. Hyperaktive Hunde brauchen vor allem eines: Ruhe! Nicht noch mehr Bewegung und Stress. Wenn der Hund am Abend dann endlich gut schläft nachdem man den ganzen Tag mit Aktivitäten voll gepackt hat, dann nicht weil er jetzt "ausgelastet" ist, sondern lediglich weil er erschöpft ist. Auf längere Sicht wird er jedoch immer aufgeregter und immer mehr Aktivität fordern.

Ziel

Ziel all dieser und gegebenenfalls weiterer Maßnahmen ist es, den Hund zu beruhigen, schwierige Situationen zu meistern, die Impulskontrolle und Frustrationstoleranz des Hundes zu steigern und einen Weg zu finden, wie ein gemeinsames Zusammenleben bestmöglich gestaltet werden kann.

Erfolgsaussichten

Und wenn ich das alles mache, ist der Hund dann geheilt?
Nein ist er nicht! Er wird immer der Hund sein, der er eben ist, aber durch Management, gezieltes Training und unterstützende Maßnahmen kann man es schaffen, einen Hund zu haben, der niemand belästigt oder gar gefährdet und mit dem ein gutes Zusammenleben möglich ist.
Eine allgemeine Prognose ist ebenso unmöglich wie ein allgemeiner Therapieplan, da sie von unzähligen Faktoren abhängt, z.B. der Ursache der Hyperaktivität, dem Schweregrad, dem Lernvermögen des Hundes und den Möglichkeiten des Besitzers.
Eine Besserung ist aber fast immer möglich und der Versuch lohnt sich auf jeden Fall!





1 Kommentar:

  1. Hallo Alina!
    Nach langer Internet-Recherche bin ich auf deinen Blog gestoßen. Vielen Dank für diesen wertvollen Beitrag, er ist einer unter wenigen, der mir wieder Hoffnung schenkt:) Da ich momentan das Buch "Stressfrei über alle Hürden von Leslie McDevitt lese, bin ich auf die Methode der Gegenkonditionierung gestoßen, und werde nach einer langen Odyssee (an Hundeschulen, Trainings, etc.) mit meinem sehr reaktiven Flat Coated Retriever Levi unbedingt diese Methode ausprobieren. Wir hatten bereits Clickertraining absolviert, das aber aufgrund einer neuen Trainerin, die hauptsächlich nach älteren Methoden der Unterordnung (u.a. Leinenruck) gearbeitet hatte, auf ihr Anraten wieder aufgegeben. Die Situation verschlechterte sich jedoch sukzessive, da Levi -auch auf ihr Anraten- zu einem regelrechten Balljunkie mutierte und für mich als Familienmutter und auch jetzt in der Schwangerschaft aufgrund seiner extrem niedrigen Reizschwelle und mangelnden Impulskontrolle bei Mensch und Hund kaum mehr zu handeln war.
    Auch habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele sich als erfahrene Hundebesitzer" Ausgebende zu gesteigerter Aktivität raten, was aber m.M.nach die ganze Situation massivst verschlechtert hat. Levi war von seinem exzentrischen Verhalten kaum abzubringen, er wanderte unentwegt im Haus herum, war immer auf 180, auf Berührungen wie TTouch reagierte er meist negativ, Spaziergänge wurden zum Horror, da er nicht mehr erreichbar war und komplett abschaltete, sobald er einen Reiz wahrnahm. Dies äußert sich in wildem Gebell, Winseln, unentwegtes Schütteln, extremes Leinenziehen zum Zielobjekt hin und wildes Gebärden und Springen.
    Ich komme aus NÖ, bin auf der Suche nach einer Trainerin/Verhaltenstherapeutin, die einen guten Zugang zum Thema hat, hast du da vielleicht einen Tipp? Ich wäre Dir sehr dankbar!

    Liebe Grüße nach Weiz!
    Tina

    titantina@hotmail.com

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