Sonntag, 14. Mai 2017

Lesetipp: Barry Eaton - Dominanz. tatsache oder fixe Idee?


Ich möchte ein kleines Büchleinvorstellen, das ich für mein Positives Hundetraining!?-Seminar wieder hervorgekramt habe. Es ist aus dem Jahr 2003, aber immer noch aktuell und wichtig:

„In den 80er und frühen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wollte man uns glauben machen, dass jegliches Anzeichen eines Verhaltensproblems bedeuten würde, unser Hund wäre dominant.“

„In jenen Tagen der Verwirrung wurden die Regeln der Rangordnung als Lösung für alle Verhaltensprobleme angesehen, sogar für solche, die es eigentlich gar nicht gab.“

Nun fast 14 Jahre später, scheinen wir wieder in jenen Tagen gelandet zu sein, weshalb ich das kleine und lustig geschriebene Buch von Barry Eaton gerne wieder allen in Erinnerung rufen möchte :)


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Freitag, 31. März 2017

Skrupellose, geldgierige Vermehrer ergötzen sich am Siechtum ihrer verseuchten Lundehunde

Oder warum ich mich plötzlich dazu genötigt fühle mich dafür zu rechtfertigen, dass ich ein kritischer Mensch bin, der weiter blickt als nur über seinen Tellerrand.


Es geht um den Lundehundsyndrom-Gentest und einen zu diesem Thema erschienen Artikel mit dem bildverdächtigen Titel Lundehund:Systematische Tierquälerei in der Hundezucht.

Hier wird von einer Seuche gesprochen, die mittels Gentest ausgerottet werden muss um die Rasse zu erhalten…
Eigentlich reicht das zusammen mit der Behauptung eine selbsternannte Lundehund-Expertin hätte das alles aufgedeckt um sich einfach zu wundern und die Seite wieder wegzuclicken
Aber der Artikel macht die Runde und da die Rasse und die Hintergründe allgemein eher unbekannt sind, stellt sich der unbedarfte Leser zu Recht die Frage: Wie kann das sein, dass sich skruplelose, geldgierige Vermehrer weigern, eine Krankheit zu bekämpfen, wenn es doch so einfach zu sein scheint.
Und weiter wird in dem Artikel auch offen gedroht, Züchter anzuzeigen und mit allen Mitteln gegen diese tierquälerischen Praktiken vorzugehen.

Es scheint aber nur so als wäre die Welt so einfach in Schwarz und Weiß einzuteilen. Der Artikel strotzt nur so von Halbwissen und Polemik und geht völlig an der Realität vorbei.

Fakt ist: Ja, Lundehunde sind häufig von einer Magen-Darm-Krankheit betroffen, die gemeinhin als „Lundehundsyndrom“ bekannt ist und für die es eine erbliche Disposition gibt.

Fakt ist weiter: Das Problem ist enorm. Der Genpool der Rasse ist sehr klein und die genetische Diversität besonders gering.
Die Anfälligkeit für das Lundehundsyndrom betrifft einen Großteil der Population. Manche Quellen sprechen von bis zu 100% (http://elib.tiho-hannover.de/dissertations/berghoffn_ws06.pdf)

Noch ein Fakt ist, dass an der Tierärztlichen Hochschule Hannover ein Gentest entwickelt wurde und „eine kausale Mutation in dem Gen LEPREL1 nachgewiesen werden“ konnte. (http://www.tiho-hannover.de/de/kliniken-institute/institute/institut-fuer-tierzucht-und-vererbungsforschung/dienstleistungen/gentests/gentests-hund/lundehundsyndrom/).
Im Sommer 2016 wurde die Studie veröffentlicht: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4971756/

Nun ist das aber nicht die ganze Wahrheit.

Der Artikelschreiber behauptet, es sei nun möglich Hunde mit dieser Erbkrankheit zuverlässig identifizieren zu können und aus der Zucht zu nehmen.
Wie schön! Nur wirklich sadistische Unmenschen, können das nicht gut finden, oder?

Naja das wäre so, wenn das Lundehundsyndrom durch nur ein Gen beeinflusst werden würde und autosomal nach Mendel vererbt werden würde, wie es etwa bei den Fellfarben der Fall ist.
Wäre dem so, würde sicherlich keiner etwas gegen den Gentest sagen, denn in diesem Fall können tatsächlich gesunde und kranke Tiere und solche, die zwar gesund sind, das Gen aber an ihre Nachkommen weiter geben (sogenannte „Carrier“, engl für Träger) identifiziert werden.
Das großartige an so einem Gentest wäre sogar, dass man gar keine Hunde aus der Zucht nehmen muss, denn solange ein Paarungspartner frei getestet ist, werden alle Welpen nur frei oder Träger sein und nie erkranken. Die Welpen können ihrerseits gleich wieder getestet werden und obwohl alle Hunde in der Zucht sind – sogar die kranken – könnte der Gendefekt innerhalb von wenigen Generationen eliminiert sein. Es macht also überhaupt keinen Sinn, als Züchter gegen so einen Gentest zu sein, weil keine Hunde aus der Zucht genommen werden müssen und man bald alle Probleme los wäre.

Tja aber so ist es leider in diesem Fall nicht. Denn am Lundehundsyndrom sind mehr Gene als nur das LEPREL1 Gen beteiligt und zudem ist es auch noch sehr von Außenfaktoren abhängig, ob die Krankheit ausbricht oder nicht und wenn ja, wie schwer der Verlauf ist.

Während das auf der Homepage der TiHo Hannover etwas schwammig ausgedrückt ist, sodass der Laie denken mag, es sei sicher, dass ein Hund der anlagefrei getestet wird, auch gesund ist, schreibt der Autor der Studie in einem Schreiben an den DCNH e.V. schon deutlicher:
„Anlagefrei - Der Hund trägt keine für das „Lundehundsyndrom“ verantwortliche Mutation in dem Gen LEPREL1 und damit keine Erbanlagen in diesem Gen für das Lundehundsyndrom
Über alle weiteren Gene sagt der Test also nichts aus.

Der Umstand, dass auch schon mehrere „anlagefrei“ getesteten Hunde erkrankt sind (persönliche Berichte liegen vor) und Welpen aus der Verpaarung eines Carriers und eines bereits an Lundehundsyndrom gestorbenen Hundes ebenfalls als „anlagefrei“ getestet wurden, zeigt ebenfalls, dass der Test überhaupt nichts über das tatsächliche Vererbungsrisiko aussagt.

Es besteht also nicht nur die – bei diesem kleinen Genpool nicht zu unterschätzende Gefahr – dass Hunde aus der Zucht genommen werden, die zwar als „Carrier“ oder gar krank getestet wurden, aber auf einer unbekannten Anzahl anderer Gene gesund wären.
Es könnten auch umgekehrt Hunde vermehrt in der Zucht eingesetzt werden, die zwar anlagefrei im LEPREL1 Gen sind, aber deutlich mehr unbekannte Defektgene vererben.
Der Test ist daher nicht geeignet um über den Zuchteinsatz von einzelnen Tieren zu entscheiden.

In dem Artikel wird kämpferisch dazu aufgerufen, die Rasse zu retten indem nur mehr mit Hunden gezüchtet wird, die „negativ auf die Erbkrankheit“ getestet wurden.
Was a) nicht nötig wäre, wenn es sich um einen autosomalen Erbgang nach den Mendelschen Regeln handeln würde.
Und b) nicht machbar ist, weil der Test nicht „auf die Erbkrankheit“, sondern eben lediglich auf eine Disposition auf einem Gen testet.

Dazu kommt noch, dass wir mit der Population arbeiten müssen, die wir haben. Der Genpool ist jetzt schon viel zu klein und die Zucht sehr aufwändig. Die Rasse kann nicht überleben, wenn nun willkürlich Hunde aus der Zucht genommen werden.
Eine Forderung ausschließlich mit „negativ getesteten“ Hunden zu züchten, würde zu einer dramatischen Einengung des Genpools führen und somit dazu, dass es eher noch mehr als weniger Probleme gibt.

Weiter bezieht sich der Artikel auf die Zuchtordnung des VDH und das deutsche Tierschutzgesetz und führt diese als Grund an, den Test als Zuchtvorraussetzung zu verlangen.

Zuchtordnung des VDH §2:
"Sämtliche Zuchtmaßnahmen müssen zum Ziel haben, ...  erbliche Defekte durch geeignete Zuchtprogramme zu bekämpfen. Zur Bekämpfung erblicher Defekte ist ein Vorgehen nach einem Phasenprogramm erforderlich."

Ich denke der VDH hat sich schon etwas gedacht, dass da von GEEIGNETEN Zuchtprogrammen und Phasenprogrammen die Rede ist.

Tierschutzgesetz § 11b:
"Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten..., wenn damit gerechnet werden muss, dass bei der Nachzucht, ... erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten."

Es ist bei keiner Lundehundverpaarung mehr oder weniger mit Schmerzen, Leiden oder Schäden zu rechnen, egal ob die Hunde getestet sind oder nicht.
Es stimmt allerdings, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt leider bei einem reinrassigen Lundehund eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass er an Lundehundsyndrom erkranken wird, als dies bei allen anderen Hunden der Fall ist.
An diesem Punkt stellt sich die Frage, ob die Zucht dieser Rasse per se verboten werden sollte oder ob eben ein geeignetes Zuchtprogramm verfolgt werden sollte um die Rasse zu erhalten und zu verbessern.

Ein entsprechendes Phasenprogramm wäre lobenswert, sollte aber keine ungeeigneten Methoden, wie den Zuchtausschluss auf Grund dieses Gentest beinhalten.
Im Heimatland der Rasse gibt es ein solches Programm, dass eine gute Grundlage wäre um sich daran zu orientieren oder im besten Fall daran mitzuarbeiten.
Neben Augenmerk auf Vergrößerung des Genpools, Information und Datensammlung, beinhaltet es vor allem ein Crossbreed-Projekt bei dem andere Rassen eingekreuzt werden:

In dem ganzen Artikel wird immer wieder behauptet, der Gentest würde einfach ignoriert werden, die „Züchterschaft“ hätte etwas gegen den Gentest und dessen Befürworter, sei skrupellos und tierquälerisch und mitverantwortlich dafür, dass die Rassehundezucht allgemein in ein schlechtes Licht gerückt wird.
Dies sind reine Strohmann-Argumente, bei denen einfach eine Gegenposition angenommen und schlecht gemacht wird.
Mich würde doch sehr interessieren mit wie vielen Lundehundzüchtern und Vereinsfunktionären über das Thema gesprochen wurde und was diese denn gesagt haben.
Ich beschäftige mich nun seit ca. 20 Jahren mit dieser Rasse und kann sagen, dass ich das Thema Gesundheit beim Lundehund nie als Tabuthema erlebt habe. Die meisten Züchter sprechen offen darüber und tauschen sich rege aus.
Ich musste dann doch auch schmunzeln über den großartigen investigativen Journalismus, den die sogenannte Expertin betrieben haben muss um Sachverhalte aufzudecken die von den beteiligten Personen öffentlich auf Facebook geteilt worden waren.
Aber es klingt eben besser wenn man es so hinstellt, als wären die Anderen ein böser Geheimbund, der sich an der Krankheit seiner Hunde bereichert (wie auch immer das gehen soll).

Der Gentest wurde auch mit Nichten ignoriert. Auch hier frage ich mich, wie der Autor zu dieser Behauptung kommt.
Tatsächlich hat sich der wissenschaftliche Beirat des VDH damit auseinandergesetzt und vorerst davon abgeraten, den Test – so wie er zu diesem Zeitpunkt war – als Grundlage für eine Zuchtzulassung heranzuziehen. 

Der DCNH und der Lundehund e.V. haben Informationen hierzu veröffentlicht:
Und es wurden ja auch schon einige Hunde getestet.
Auch weltweit setzen sich Züchter, Halter, Tierärzte und Vereine mit der Thematik auseinander.
Einen Gentest (noch) nicht als Zuchtvorraussetzung festzusetzen, nachdem man die wissenschaftlichen Fakten geprüft und rational Vor- und Nachteile abgewogen hat, ist nicht das gleiche, wie ihn zu ignorieren!

Niemand den ich kenne ist gegen den Gentest an sich. Der Gentest alleine ist eine gute Sache! Er liefert erste Anhaltspunkte und es sollten möglichst viele Hunde getestet werden um mehr Daten zu erhalten. Inzwischen ist das auch zu deutlich günstigeren Preisen in jedem genetischen Labor möglich, sodass auch die 250€, die der Test ursprünglich gekostet hat, keinen Aufreger mehr darstellen: https://shop.labogen.com/genuntersuchung-bestellen/hund/norwegischer-lundehund/
Nur ist er leider zum jetzigen Zeitpunkt eben nicht geeignet um die Hunderasse zu erhalten und gleichzeitig die „Seuche“ (meine Güte diese Wort! Eine Seuche ist eine hochansteckende Infektionskrankheit, das ist fast schon das Gegenteil von einer Erbkrankheit) auszurotten.

Leider ist das Leben kein Wunschkonzert und wissenschaftliche Studien sagen eben nicht das aus, was man gerne herauslesen möchte, sondern nur das was tatsächlich herausgefunden wurde.