Über das Lernverhalten des Hundes
Im letzten Artikel habe ich geschrieben, dass Hunde alles, was man von ihnen möchte, zuerst einmal lernen müssen. Um ihnen praktisch etwas beizubringen, kann es nicht schaden, wenn man auch etwas über die Lerntheorie weiß. Wie kommt es überhaupt dazu, dass ein Hund bzw. jedes Lebenwesen, das höher stehend ist als eine Qualle, etwas lernt?
Deshalb stell ich hier mal meinen Artikel über das Lernverhalten von Hunden ein.
Wie lernt der Hund?
Konsequenz
beeinflusst Verhalten
Alle
Verhaltensweisen, die eine positive Konsequenz haben, werden häufiger
gezeigt, alle die eine negative Konsequenz haben werden seltener. Wir
können Verhalten verändern indem wir die Konsequenz beeinflussen.
Umgekehrt ist es nicht möglich Verhalten zu beeinflussen, wenn wir
die Konsequenz nicht beeinflussen können.
Wir
können den Hund als Konsequenz für sein Verhalten
- Belohnen:
- etwas angenehmes hinzufügen (=positive Bestärkung), z.B. Leckerli, Zuwendung, Spiel...
- etwas unangenehmes wegnehmen (=negative Bestärkung), z.B. Zug an der Leine, lässt nach...
- Bestrafen:
- Etwas unangenehmes hinzufügen (=positive Strafe), z.B. Schimpfen, Klaps, Schnauzengriff, Leinenruck...
- Etwas angenehmes wegnehmen (=negative Strafe), z.B. Sozialkontakt beim Ignorieren...
Die
Konsequenz muss unmittelbar auf das Verhalten folgen, sonst verknüpft
der Hund es nicht mehr richtig. Man hat ungefähr ½ Sekunde Zeit.
Hunde lernen Kontextbezogen
D.h.,
alles was ein Hund in dem Moment, in dem die Konsequenz erfolgt,
sieht, hört, riecht und spürt kann mit dem Verhalten in
Zusammenhang gebracht werden. Man weiß nie, welche Einflüsse der
Hund tatsächlich verknüpft.
Daraus
ergeben sich zwei wichtige Ansätze für das Training mit Hunden:
- Ein Verhalten, das an einem Ort oder in einer bestimmten Situation schon gut ausgeführt wird, wird möglicherweise an einem anderen Ort oder in einer anderen Situation nicht verstanden. Es muss an verschiedenen Orten und in verschiedenen Situationen trainiert werden (als Faustregel: mindestens 5 verschiedene Orte).
- Positive Strafen (s.o.) werden möglicherweise falsch verknüpft, z.B. mit der Person, die den Hund bestraft oder mit einem Menschen, Tier, Objekt... das zufällig gerade in der Nähe ist. Hierin besteht eine große Gefahr in der Anwendung positiver Strafen!
Motivation
Jedes
Tier (auch der Mensch) wird immer das tun, was ihm den größten
Vorteil bringt!
Demnach
ist eine Belohnung auch nur genau das, was der Hund in dieser
Situation auch wirklich haben will (nicht unbedingt das, was sich der
Mensch als nette Belohnung ausgedacht hat). Wenn er z.B. gerade satt
ist, ist Futter vielleicht keine besondere Belohnung. Wenn er gerade
lustig mit anderen Hunden spielt, ist ein verbales Lob nicht
ausreichend usw.
Umgekehrt
verhält es sich genauso mit Strafen: Eine Strafe ist nur dann eine
Strafe, wenn sie dem Hund unangenehm ist. Nicht selten wird eine vom
Menschen als Strafe empfundene Handlung vom Hund als Belohnung
aufgefasst, z.B. wenn er bellt, weil er um Aufmerksamkeit bettelt und
er wird angeschrieen: Der Hund will Aufmerksamkeit! Aufmerksamkeit
hat er bekommen.
Für
das Training mit Hunden ist es sinnvoll eine Liste von
Motivationsmöglichkeiten zu erstellen und diese nach Beliebtheit
beim Hund zu reihen. Verwenden Sie immer eine der Situation
entsprechende Motivation.
Motivierend
können z.B. sein: Futterbelohnungen verschiedener Qualität,
Streicheln, verbales Lob, Spiel, frei laufen dürfen.....
Ablenkungen
sind Faktoren, die die Motivationslage des Hundes beeinflussen: Kommt
z.B. ein anderer Hund vorbei, ist es für den Hund vielleicht
belohnender davon zu laufen um mit diesen zu Spielen, anstatt Sitz zu
machen und dafür ein Lob zu bekommen.
Ablenkungen
müssen im Training langsam gesteigert werden. Anfangs ist unbedingt
darauf zu achten, dass die Belohnung attraktiver ist, als die
Ablenkung.
Erst
wenn der Hund gelernt hat ein Verhalten unter starker Ablenkung
auszuführen, beherrscht er es wirklich.
Auch
hier kann eine Rangliste der Ablenkungen für das Training sinnvoll
sein. Beim Steigern der Ablenkung, werden zuerst die Anforderungen
wieder herabgesetzt.
Habituation (Gewöhnung)
Habituation
ist eine besondere Form des Lernens: Folgt auf einen Reiz keine
Konsequenz, gewöhnt sich der Hund daran und schenkt ihm in Zukunft
keine Beachtung mehr. Für alle Tiere und auch uns, ist diese Form
des Lernens lebensnotwendig: würden wir auf jeden Reiz in unserer
Umwelt reagieren – Geräusche, Gerüche oder auch nur der Druck von
Kleidung oder Schmuck auf der Haut, würden wir bald wahnsinnig
werden.
In
der Hundeerziehung spielt Habituation insofern eine Rolle, als dass
sich der Hund auch an unsere Handlungen, Wörter usw. gewöhnen kann.
Wird mit dem Hund ständig herum geschimpft oder ihm wahllos
irgendwelche Kommandos gegeben, die er vielleicht noch gar nicht
beherrscht, und es folgt keine Konsequenz darauf, gewöhnt sich der
Hund bald daran und kümmert sich nicht mehr weiter darum.
Daher
ist es wichtig Hunden zuerst das Verhalten beizubringen und erst dann
das dazugehörige Kommando. Ebenso ist es wichtig bei einem bereits
erlernten Kommando auf seine Ausführung zu bestehen, gleichzeitig
soll man aber die Kommandos nicht ständig wiederholen.
Hier sieht man, wie sich eine Ratte rasch an ein lautes Geräusch gewöhnt, weil darauf keine Konsequenz folgt.
Habituation kann natürlich auch hilfreich in der Verhaltenstherapie genutzt werden um Tiere an etwas zu gewöhnen vor dem sie Angst haben.
Löschung von Verhalten
Ein
Verhalten auf das keine Reaktion erfolgt wird immer seltener und
verschwindet schließlich (fast) ganz.
Der
Unterschied zur Habituation ist, dass es hier um ein vom Hund
gezeigtes Verhalten geht und nicht um einen Reiz von außen.
Unerwünschtes
Verhalten, insbesondere aufmerksamkeitsforderndes Verhalten, wird
gelöscht, wenn wir ihm einfach keine Beachtung schenken. Zuvor kommt
es aber noch zum sog. Löschungstrotz: zunächst wird das Verhalten
schlimmer, da der Hund versucht, ob er zum gewünschten Erfolg kommt,
wenn er sich mehr anstrengt. Hier ist es sehr wichtig stark zu
bleiben und das Verhalten weiterhin zu ignorieren!
Umgekehrt
werden auch erwünschte Verhaltensweisen gelöscht, wenn sie nie mehr
belohnt werden!
Variable Belohnung
Beim
Einlernen einer neuen Verhaltensweise muss der Hund jedes mal belohnt
werden, da er sonst nicht weiß, ob er es richtig gemacht hat. Hat
der Hund etwas besonders gut gemacht, bekommt er einen Jackpot –
eine ganz besondere Belohnung (z.B. gleich eine Hand voll Leckerli).
Erst
wenn der Hund das Verhalten beherrscht (perfekte Ausführung, an
verschiedenen Orten, unter Ablenkung), geht man zu variabler
Belohnung über: Anfangs wird jedes 2. mal belohnt, dann in
unregelmäßigen Abständen. Man hört jedoch nie ganz auf den Hund
zu belohnen!
Auch
die Art und die Qualität der Belohnung kann und soll variieren. Auch
Jackpots sollten weiterhin hin und wieder gegeben werden. Ein
Verhalten auszuführen ist dann für den Hund wie ein Glücksspiel.
Deshalb bleiben auch variabel belohnte Verhaltensweisen sehr stabil
(löschungsresistent), da der Hund nicht gleich völlig enttäuscht
ist, wenn er einmal nichts bekommt. Das gleiche Prinzip wirkt bei
Menschen, die Glücksspiele spielen: in einen Glücksspielautomat
werden z.B. zahlreiche Münzen geworfen, obwohl man nicht jedes mal
belohnt wird. Aber man hat die Chance auf einen Jackpot. Bei z.B.
einem Getränkeautomat ist man aber gewohnt, dass man für jede
Münze, die man ein wirft auch ein Getränk bekommt. Man wird
normalerweise jedes mal belohnt. Kommt einmal kein Getränk, werden
wir ärgerlich und versuchen es nicht noch einmal, da der Automat
offensichtlich kaputt ist.
Der
Nachteil der variablen Belohnung kommt bei der Löschung von
unerwünschte Verhaltensweisen zum Tragen: wird man nur einmal
während der Löschungsphase schwach und beachtet das Verhalten, hat
man den Hund variable Belohnt und das Verhalten zusätzlich
gefestigt. Wenden Sie deshalb diese Methode nur an, wenn Sie absolut
konsequent sein können!
Regeln für das Training mit Hunden
Aus
diesem Wissen ergeben sich folgende Regeln für das Training mit
Hunden:
- Erwünschtes Verhalten sofort innerhalb ½ Sekunde belohnen.
- Unerwünschtes Verhalten ignorieren.
- Positive Strafen vermeiden.
- Verhaltensweisen in kleinen Schritten einüben: Die Anforderungen (Genauigkeit, Länge) langsam und getrennt von einander steigern.
- Das Kommando (Hör- und/oder Sichtzeichen) erst einführen, wenn der Hund die Verhaltensweise schon kann.
- Jeden dieser Schritte an mindestens 5 verschiedenen Orten üben.
- Zum nächsten Schritt übergehen, wenn der Hund das Verhalten ca. 50x (mindestens 8 von 10 mal) richtig ausgeführt hat.
- Langsam die Ablenkungen steigern (Liste). Dabei wieder Anforderungen zurückschrauben.
- Kommandos nicht wiederholen! Der Hund gewöhnt sich entweder daran, dass ihn das Kommando nichts angeht (Habituation) oder er lernt, dass er erst nach dem 3. mal folgen muss (kontextbezogen). Führt er es nicht aus, passiert gar nichts (also vor allem auch keine Belohnung). Innerlich bis 15 zählen und das Kommando erneut geben.
- Kommandos nicht geben, wenn der Hund sie sowieso nicht befolgt (Habituation). Z.B. lieber den Hund abholen, wenn er gerade mit anderen Hunden spielt, anstatt ihn vergebens zu rufen.
- Führt ein Hund eine Verhaltensweise 3 mal hintereinander nicht aus, ist er nicht stur! Sondern:
- Er hat es nicht gut genug gelernt (einen Schritt zurück gehen).
- Er ist nicht ausreichend motiviert (Qualität der Belohnung prüfen).
- Er ist nicht in der Lage das Verhalten auszuführen z.B. durch Krankheit, Verletzung, äußere Umstände... (Umstände prüfen und insbesondere bei sehr folgsamen Hunden, die plötzlich nicht mehr gehorchen, den Tierarzt aufsuchen)
Buchtipp:
Quelle:
Dieser Artikel ist so ähnlich bereits im TierarztBLOG erschienen.
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