Oder warum ich mich plötzlich dazu genötigt fühle mich dafür
zu rechtfertigen, dass ich ein kritischer Mensch bin, der weiter blickt als nur
über seinen Tellerrand.
Hier wird von einer Seuche gesprochen, die mittels Gentest
ausgerottet werden muss um die Rasse zu erhalten…
Eigentlich reicht das zusammen mit der Behauptung eine
selbsternannte Lundehund-Expertin hätte das alles aufgedeckt um sich einfach zu
wundern und die Seite wieder wegzuclicken
Aber der Artikel macht die Runde und da die Rasse und die
Hintergründe allgemein eher unbekannt sind, stellt sich der unbedarfte Leser zu
Recht die Frage: Wie kann das sein, dass sich skruplelose, geldgierige
Vermehrer weigern, eine Krankheit zu bekämpfen, wenn es doch so einfach zu sein
scheint.
Und weiter wird in dem Artikel auch offen gedroht, Züchter
anzuzeigen und mit allen Mitteln gegen diese tierquälerischen Praktiken
vorzugehen.
Es scheint aber nur so als wäre die Welt so einfach in
Schwarz und Weiß einzuteilen. Der Artikel strotzt nur so von Halbwissen und
Polemik und geht völlig an der Realität vorbei.
Fakt ist: Ja, Lundehunde sind häufig von einer
Magen-Darm-Krankheit betroffen, die gemeinhin als „Lundehundsyndrom“ bekannt
ist und für die es eine erbliche Disposition gibt.
Fakt ist weiter: Das Problem ist enorm. Der Genpool der
Rasse ist sehr klein und die genetische Diversität besonders gering.
Nun ist das aber nicht die ganze Wahrheit.
Der Artikelschreiber behauptet, es sei nun möglich Hunde
mit dieser Erbkrankheit zuverlässig identifizieren zu können und aus der Zucht
zu nehmen.
Wie schön! Nur wirklich sadistische Unmenschen, können das
nicht gut finden, oder?
Naja das wäre so, wenn das Lundehundsyndrom durch nur ein
Gen beeinflusst werden würde und autosomal nach Mendel vererbt werden würde,
wie es etwa bei den Fellfarben der Fall ist.
Wäre dem so, würde sicherlich keiner etwas gegen den Gentest
sagen, denn in diesem Fall können tatsächlich gesunde und kranke Tiere und
solche, die zwar gesund sind, das Gen aber an ihre Nachkommen weiter geben
(sogenannte „Carrier“, engl für Träger) identifiziert werden.
Das großartige an so einem Gentest wäre sogar, dass man gar
keine Hunde aus der Zucht nehmen muss, denn solange ein Paarungspartner frei
getestet ist, werden alle Welpen nur frei oder Träger sein und nie erkranken.
Die Welpen können ihrerseits gleich wieder getestet werden und obwohl alle
Hunde in der Zucht sind – sogar die kranken – könnte der Gendefekt innerhalb
von wenigen Generationen eliminiert sein. Es macht also überhaupt keinen Sinn,
als Züchter gegen so einen Gentest zu sein, weil keine Hunde aus der Zucht
genommen werden müssen und man bald alle Probleme los wäre.
Tja aber so ist es leider in diesem Fall nicht. Denn am
Lundehundsyndrom sind mehr Gene als nur das LEPREL1 Gen beteiligt und zudem ist
es auch noch sehr von Außenfaktoren abhängig, ob die Krankheit ausbricht oder
nicht und wenn ja, wie schwer der Verlauf ist.
Während das auf der Homepage der TiHo Hannover etwas
schwammig ausgedrückt ist, sodass der Laie denken mag, es sei sicher, dass ein
Hund der anlagefrei getestet wird, auch gesund ist, schreibt der Autor der
Studie in einem Schreiben an den DCNH e.V. schon deutlicher:
„Anlagefrei - Der Hund trägt keine für das
„Lundehundsyndrom“ verantwortliche Mutation in dem Gen LEPREL1 und damit keine
Erbanlagen in diesem Gen für das
Lundehundsyndrom
Über alle weiteren Gene sagt der Test also nichts aus.
Der Umstand, dass auch schon mehrere „anlagefrei“ getesteten
Hunde erkrankt sind (persönliche Berichte liegen vor) und Welpen aus der
Verpaarung eines Carriers und eines bereits an Lundehundsyndrom gestorbenen
Hundes ebenfalls als „anlagefrei“ getestet wurden, zeigt ebenfalls, dass der
Test überhaupt nichts über das tatsächliche Vererbungsrisiko aussagt.
Es besteht also nicht nur die – bei diesem kleinen Genpool
nicht zu unterschätzende Gefahr – dass Hunde aus der Zucht genommen werden, die
zwar als „Carrier“ oder gar krank getestet wurden, aber auf einer unbekannten
Anzahl anderer Gene gesund wären.
Es könnten auch umgekehrt Hunde vermehrt in der Zucht
eingesetzt werden, die zwar anlagefrei im LEPREL1 Gen sind, aber deutlich mehr
unbekannte Defektgene vererben.
Der Test ist daher nicht geeignet um über den Zuchteinsatz
von einzelnen Tieren zu entscheiden.
In dem Artikel wird kämpferisch dazu aufgerufen, die Rasse
zu retten indem nur mehr mit Hunden gezüchtet wird, die „negativ auf die
Erbkrankheit“ getestet wurden.
Was a) nicht nötig wäre, wenn es sich um einen autosomalen
Erbgang nach den Mendelschen Regeln handeln würde.
Und b) nicht machbar ist, weil der Test nicht „auf die
Erbkrankheit“, sondern eben lediglich auf eine Disposition auf einem Gen
testet.
Dazu kommt noch, dass wir mit der Population arbeiten
müssen, die wir haben. Der Genpool ist jetzt schon viel zu klein und die Zucht
sehr aufwändig. Die Rasse kann nicht überleben, wenn nun willkürlich Hunde aus
der Zucht genommen werden.
Eine Forderung ausschließlich mit „negativ getesteten“
Hunden zu züchten, würde zu einer dramatischen Einengung des Genpools führen
und somit dazu, dass es eher noch mehr als weniger Probleme gibt.
Weiter bezieht sich der Artikel auf die Zuchtordnung des VDH
und das deutsche Tierschutzgesetz und führt diese als Grund an, den Test als
Zuchtvorraussetzung zu verlangen.
Zuchtordnung des VDH §2:
"Sämtliche Zuchtmaßnahmen müssen zum Ziel haben,
... erbliche Defekte durch geeignete
Zuchtprogramme zu bekämpfen. Zur Bekämpfung erblicher Defekte ist ein Vorgehen
nach einem Phasenprogramm erforderlich."
Ich denke der VDH hat sich schon etwas gedacht, dass da von
GEEIGNETEN Zuchtprogrammen und Phasenprogrammen die Rede ist.
Tierschutzgesetz § 11b:
"Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten..., wenn damit
gerechnet werden muss, dass bei der Nachzucht, ... erblich bedingt Körperteile
oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet
sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten."
Es ist bei keiner Lundehundverpaarung mehr oder weniger mit
Schmerzen, Leiden oder Schäden zu rechnen, egal ob die Hunde getestet sind oder
nicht.
Es stimmt allerdings, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt
leider bei einem reinrassigen Lundehund eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit
besteht, dass er an Lundehundsyndrom erkranken wird, als dies bei allen anderen
Hunden der Fall ist.
An diesem Punkt stellt sich die Frage, ob die Zucht dieser
Rasse per se verboten werden sollte oder ob eben ein geeignetes Zuchtprogramm verfolgt werden sollte um die Rasse zu
erhalten und zu verbessern.
Ein entsprechendes Phasenprogramm wäre lobenswert, sollte
aber keine ungeeigneten Methoden, wie den Zuchtausschluss auf Grund dieses
Gentest beinhalten.
Im Heimatland der Rasse gibt es ein solches Programm, dass
eine gute Grundlage wäre um sich daran zu orientieren oder im besten Fall daran
mitzuarbeiten.
Neben Augenmerk auf Vergrößerung des Genpools, Information
und Datensammlung, beinhaltet es vor allem ein Crossbreed-Projekt bei dem
andere Rassen eingekreuzt werden:
In dem ganzen Artikel wird immer wieder behauptet, der
Gentest würde einfach ignoriert werden, die „Züchterschaft“ hätte etwas gegen
den Gentest und dessen Befürworter, sei skrupellos und tierquälerisch und
mitverantwortlich dafür, dass die Rassehundezucht allgemein in ein schlechtes
Licht gerückt wird.
Dies sind reine Strohmann-Argumente, bei denen einfach eine
Gegenposition angenommen und schlecht gemacht wird.
Mich würde doch sehr interessieren mit wie vielen
Lundehundzüchtern und Vereinsfunktionären über das Thema gesprochen wurde und
was diese denn gesagt haben.
Ich beschäftige mich nun seit ca. 20 Jahren mit dieser Rasse
und kann sagen, dass ich das Thema Gesundheit beim Lundehund nie als Tabuthema
erlebt habe. Die meisten Züchter sprechen offen darüber und tauschen sich rege
aus.
Ich musste dann doch auch schmunzeln über den großartigen investigativen
Journalismus, den die sogenannte Expertin betrieben haben muss um Sachverhalte
aufzudecken die von den beteiligten Personen öffentlich auf Facebook geteilt
worden waren.
Aber es klingt eben besser wenn man es so hinstellt, als
wären die Anderen ein böser Geheimbund, der sich an der Krankheit seiner Hunde
bereichert (wie auch immer das gehen soll).
Der Gentest wurde auch mit Nichten ignoriert. Auch hier
frage ich mich, wie der Autor zu dieser Behauptung kommt.
Tatsächlich hat sich der wissenschaftliche Beirat des VDH
damit auseinandergesetzt und vorerst davon abgeraten, den Test – so wie er zu
diesem Zeitpunkt war – als Grundlage für eine Zuchtzulassung heranzuziehen.
Der DCNH und der Lundehund e.V. haben Informationen hierzu
veröffentlicht:
Und es wurden ja auch schon einige Hunde getestet.
Auch weltweit setzen sich Züchter, Halter, Tierärzte und
Vereine mit der Thematik auseinander.
Einen Gentest (noch) nicht als Zuchtvorraussetzung
festzusetzen, nachdem man die wissenschaftlichen Fakten geprüft und rational
Vor- und Nachteile abgewogen hat, ist nicht das gleiche, wie ihn zu ignorieren!
Niemand den ich kenne ist gegen den Gentest an sich. Der
Gentest alleine ist eine gute Sache! Er liefert erste Anhaltspunkte und es
sollten möglichst viele Hunde getestet werden um mehr Daten zu erhalten.
Inzwischen ist das auch zu deutlich günstigeren Preisen in jedem genetischen
Labor möglich, sodass auch die 250€, die der Test ursprünglich gekostet hat,
keinen Aufreger mehr darstellen:
https://shop.labogen.com/genuntersuchung-bestellen/hund/norwegischer-lundehund/
Nur ist er leider zum jetzigen Zeitpunkt eben nicht geeignet
um die Hunderasse zu erhalten und gleichzeitig die „Seuche“ (meine Güte diese
Wort! Eine Seuche ist eine hochansteckende Infektionskrankheit, das ist fast
schon das Gegenteil von einer Erbkrankheit) auszurotten.
Leider ist das Leben kein Wunschkonzert und
wissenschaftliche Studien sagen eben nicht das aus, was man gerne herauslesen
möchte, sondern nur das was tatsächlich herausgefunden wurde.